Vorab ein Wort zu den Texten im Yorker (der Programmzeitschrift der Berliner York-Kinos): Die Texte sind voller Spoiler, verraten die entscheidenden Wendungen vorher, oder sogar den Sinn des Titels und sollten daher mit größter Vorsicht genossen werden, denn sie können mE so den Kinogenuss stark mindern. Ich lese sie prinzipiell immer erst nach der Filmsicht.


Der Vorfilm diesmal eine Motioncapturespielerei, die die Technik gleich ins digital Reale überträgt. Denn ein digitaler Mann bewegt mittels Datenhandschuh und Gürtel einen ebensolchen ca 5-10mal seine Körpergröße uberragenden Roboter. Er tanzt erst ausgelassen nach beastyboys(liken) Klängen, wobei der gigantische Roboter seinen Bewegungen minutiös folgt, aber der Versuch eine am Boden sitzende Stubenfliege zu 'Klatschen' wird ihm zum Verhängnis.

21 Gramm (16.02.2004)

Dass hier wieder ein Verkehrsunfall die Leben der Protagonisten verknüpft ist kein Zufall, denn auch hier sind wieder Guillermo Arriagos (Drehbuch) und Alejandro González Iñárritu (Regie) verantwortlich. Allerdings berühren sich autarke Schicksale hier nicht nur bei dem Unfall, sondern er vernäht die Leben der Protagonisten untrennbar miteinander. Doch leider ist die eigentliche Handlung eine relativ simple Beziehungsgeschichte, und es wird daraus, durch die, zugegeben mutige, Behandlung der Zeitachse ein Memento für Muttis. Es scheint, als ob die beiden dem Publikum, denn es handelt sich um deren erste US-Produktion, zwar eine gewagte Struktur zutrauen, aber keine ebensolche Geschichte. Es wird zwar die zeitliche Abfolge völlig ausser Kraft gesetzt, so dass, besonders im ersten Drittel, der Zuschauer die emotionalen Stationen der Figuren unmittelbarer beobachtet, und diese erst nach und nach in ein immer dichter und endlich leider zu lückenloses Ganzes fügen kann. Im Mittelteil werden die neuen Brocken jedoch etwas zu redundant, aus anderen Perspektiven, gezeigt, oder bewusst wiederholt, da die Witwe natürlich auf den Moment der Familienamputation fixiert ist. Und im Ende wartet man eigentlich nur noch auf die letzten Puzzleteile. So bleibt zwar die Spannung bis zum Schluss erhalten (und einige haben auch auch ihr verdientes bescheidenes Happy End), aber diese zu perfekte Auflösung ist es, die den Film dann zu rund macht (und den Titel in der letzten Szene aufzulösen wirkt schon fast wie ein verzweifelter Versuch die Zuschaueraufmerksamkeit zu fesseln). Die Handkamera wirkt da fast aufgesetzt, auch wenn sie ja durch die Digitale Technik schon ziemlich etabliert ist, und die zerrissene Zeitleiste wie nachträglich am Schneidetisch implantiert.
Doch ist dieser Film mE sehenswert, daher hier keine Spoiler. Hat sich der erste Streich des obengenannten Autorenteams Amores Perros noch ein wenig zu sehr auf starke Bilder verlassen, z.B. Hundekampf, Beinschiene, Sprachfehler, auch wirkten dort die Schauspieler primär nach eindrucksvoller Optik ausgewählt, so wird hier die Kunst der Auslassung geübt, der Unfall wird nur in seinem Vorher und seinen Folgen gezeigt, die Frauen müssen zwar mal schreien, aber der finale Höhepunkt hat nur das Highwayrauschen auf der Tonspur. Die Schauspieler sind trotz ihrer celebritösen Präsenz glaubwürdig und einen düsteren Teddybär, als Herrn Del Toro hier, habe ich noch nicht gesehen. Findet Iñárritu in weiteren Werken noch ein ausgeglicheneres Verhältnis von Form und Inhalt, hoffe ich noch auf einige intelligente Blockbuster von ihm.
Soweit nach der Sicht der OV. Doch die Preview nun war natürlich synchronisiert, was natürlich einige Sätze mehr verständlich machte, aber dafür auch einige falsch übersetzte? (mE korrigiert er im Original ihren Freistilarmschlag und nicht ihre Squashtechnik) Aber schlimmer war, dass der Reiz des Puzzles natürlich völlig verloren geht. Denn beim zweiten Sehen legt man nur noch die Teile auf das ganze Bild, und neues oder erst im Ganzen verstehbares gibt es nicht viel zu entdecken. Schade.

lr




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